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Ein ganzes Jahr lang wurde die Suche fortgesetzt. Spione des Hochkönigs überwachten die Hafen; gelegentlich suchten sie heimlich sogar Fergus und seinen Rath auf, für den Fall, dass er dort seine Tochter versteckte; aber jedes Mal kehrten sie zurück und berichteten: »Kein Lebenszeichen.«

Und seit einem Jahr war auch Finbarr unterwegs.

Tagein, tagaus bot sich immer das gleiche Bild – Finbarr ritt voraus, Cuchulainn, der Jagdhund, sprang neben ihm, dahinter die zwei Häuptlinge. Bald folgten sie verschlungenen Pfaden, bald ritten sie auf einer der großen slige–Landstraßen. Es konnte ein breiter Viehsteig über die Hochlandweiden, eine Schneise durch den Wald oder ein kräftiger Holzdamm durch ein Moor sein, aber welches Gelände sie auch vor sich hatten – die drei Reiter stürmten unbarmherzig voran. Sie erkundigten sich in jedem Bauerngehöft; sie befragten die Schiffer auf allen Flüssen. Sogar in der endlosen Wildnis im Innern der Insel war es nicht leicht, sich in den Stammesgebieten zu bewegen, ohne einem Menschen zu begegnen. Irgendjemand musste das Liebespaar doch gesehen haben. Aber nachdem die beiden, wie die Männer des Königs berichtet hatten, ein einziges Mal in Munster gesichtet worden waren, schienen sie wie vom Erdboden verschluckt zu sein.

Es war eine bittere Zeit. Die Missernte des Vorjahres hatte dem Land noch keine Hungersnot gebracht, weil die Häuptlinge jedes Gebietes für Abhilfe sorgten. Noch gab es Milch und Fleisch, Gemüse und Beeren. Aber Hafermehl, Brot ond –nach der Vernichtung der Gerste – auch Bier waren knapp geworden. In den meisten Fällen hatten die Häuptlinge, so fiel Finbarr auf, in rücksichtsloser Weise Korn zur Aussaat zurückbehalten. Alle hofften, dass der Hochkönig die Gunst der Götter zurückgewann.

Direkt nach Lughnasa hatte wieder Regen eingesetzt. Tag für Tag fegten Wolkenbrüche und heulende Winde über das Land. Auch in diesem Jahr würde, so wurde bald allen klar, die Ernte vernichtet werden. Und da er diesen schrecklichen Beweis für die Missgunst der Götter sah, konnte Finbarr, so sehr er seinen Freund liebte, nicht umhin, sich zu fragen, ob nicht die Demütigung des Hochkönigs durch Conall der Grund dafür war.

Rastlos suchten Finbarr und seine Begleiter die Küsten und Berge von Munster ab, sie durchkämmten Leinster und zogen nordwärts nach Ulster. Bald fanden sie in einem Bauernhof Obdach, bald nächtigten sie unter freiem Himmel und hörten die Wölfe heulen. Sie durchstreiften die reichen Weidegebiete, in denen hohe Erdwälle und tiefe Gräben die Grenzen zwischen dem Land des einen und des nächsten Stammes markierten; sie wagten sich in die düsteren Moore hinein, in denen Leute in brannog–Siedlungen wohnten, die auf hölzernen Pfählen und Plattformen im Wasser errichtet waren. Wo immer sie fragten, war die Antwort die gleiche: »Hier haben wir sie nicht gesehen.«

Einmal, aber nur ein einziges Mal, hatte Finbarr das Gefühl, als befänden die Abtrünnigen sich ganz in der Nähe. Es war an der Ostküste gewesen, direkt oberhalb der Liffey–Bucht. Dort war er an einem verlassenen Strand einer alten Frau begegnet und hatte sie gefragt, ob sie irgendwelche Fremden gesehen habe.

»Nur einen Druiden«, hatte sie gesagt, »der jetzt auf der Insel lebt.«

»Hat er irgendwelche Gefährten?«, hatte Finbarr weiter gefragt.

»Nein. Keinen einzigen. Er lebt völlig allein.«

Und doch hätte ihn beinahe ein Instinkt dazu getrieben, der Insel einen Besuch abzustatten, aber seine zwei Begleiter riefen ihm zu: »Los, Finbarr, komm weiter. Dort steckt er nicht.« Und so waren sie wieder aufgebrochen.

Schließlich waren sie nach Connacht mit seinen Bergen und Seen und seiner wilden Küste gelangt. Die Leute haben Recht, dachte er, wenn sie Connacht das Land der Druiden nennen. Und wenn er an die Liebe seines Freundes zur Einsamkeit dachte, hatte er das Gefühl, als könnte er sich hier befinden. Und so suchten sie monatelang, fanden aber nicht die geringste Spur von ihm. Eines Tages standen sie auf den gewaltigen, kahlen und steil abfallenden Klippen von Moher und blickten auf das aufgewühlte Meer hinaus, in dem irgendwo, wie es hieß, die Inseln der Seligen lagen, wohin sich die Geister der großen Krieger zu ihrer ewigen Ruhe begaben. Finbarr fragte sich gerade, ob sein Freund vielleicht gestorben war und sein Geist sich auch dorthin zurückgezogen hatte, als einer seiner zwei Begleiter meinte: »Es wird Zeit, dass wir umkehren, Finbarr.«

»Ich kann nicht«, entgegnete er. »Ich habe ihn noch nicht gefunden.«

»Du kommst mit uns«, sagte der andere. »Mehr kannst du nicht tun.«

Da wurde ihm bewusst, dass es bereits ein Jahr her war, seit sie aufgebrochen waren.

* * *

Manchmal hatte Conall das Gefühl, als sei er nie zuvor glücklich gewesen. Sein Leben mit Deirdre war für beide eine Offenbarung. Es dauerte nicht lange, bis sie bei ihren Liebesspielen sogar noch kühner wurde als er. Oft tat sie den ersten Schritt, hockte sich rittlings auf ihn oder hieß ihn ruhig dazuliegen, während sie neue Arten erforschte, ihm Lust zu verschaffen oder ihn nach der Erschöpfung wieder zu erregen. Wenn sich ihr schlanker Körper mit dem seinen verflocht, war es kaum verwunderlich, dass Conall, der so lange von Zweifeln und inneren Spannungen besessen war, begreifen lernte, was es bedeutete, glücklich zu sein.

Ihr Leben auf der Insel verlief erstaunlich gut. Die letzten Sommerregen hatten ihnen nichts ausgemacht. Der Spalt in der Felsklippe bot nicht nur Schutz, sondern auch ein gutes Versteck, und dort, über der winzigen Bucht mit ihrem kleinen Strand, hatte Conall aus Ästen von den spärlich vorhandenen Bäumen der Insel eine Hütte aus Lehm und Flechtwerk gebaut, die sie auch in einem milden Winter schützen könnte. Für die Witwe vom Strand war es eine Freude, Conall mit bescheidener Nahrung zu versorgen, die er durch gelegentliche Ausflüge an Land noch ergänzen konnte, wo es ihm nicht schwer fiel, sich als fahrender Druide weitere Vorräte zu beschaffen. Auf der kleinen Insel selbst fing er Fische und säte Bohnen und Erbsen. Er fand verschiedene Stellen, an denen Regenwasser vom Felsen herablief. Dort meißelte er drei große Sammelbecken in das Gestein und verband sie miteinander, um Trinkwasser zu sammeln. Zum Kochen von Gemüse und Fleisch, das er zuweilen auftreiben konnte, fertigte er eine weitere, viel kleinere Grube. Diese füllte er mit Wasser, legte dann im Feuer erhitzte Steine hinein, die das Wasser zum Kochen brachten und es eine Zeit lang in dieser Hitze hielten.

Kein Mensch verirrte sich in ihre Nähe. Es gab auch keinen Grund, weshalb es jemanden dorthin verschlagen sollte. Die nahe gelegene Halbinsel der Landzunge war eine menschenleere Gegend. An der Hauptküste gegenüber lebte niemand außer der Witwe. Ein Stück weiter nördlich lag vor der Küste gegenüber einem schmalen Meeresarm eine viel größere Insel, die auch unbewohnt war, und die wenigen Fischer aus der schmalen Bucht gegenüber fuhren nur selten zu ihr hinaus.

Selbst für den Fall, dass irgendjemand sich in ihre Richtung wagte, hatte Conall vorgesorgt, indem er der Alten ausdrücklich sagte, dass er alleinzusein wünsche, und diese Anweisung dürfte sie mit Sicherheit an die Fischer in der Bucht weitergegeben haben. Druiden, die als Einsiedler lebten, waren keine Seltenheit; und nur ein Narr könnte auf die Idee verfallen, die Ruhe eines Druiden zu stören und so einen Bannfluch zu riskieren.

Das Einzige, was Conall zu schaffen machte, war die Tatsache, dass ihre Insel so klein war. Es gab einen Strand, auf dem man spazieren konnte, einen grasbewachsenen Landvorsprung, auf den man hinaufsteigen konnte, und einige wenige Bäume, aber das war neben einigen Felstümpeln alles. Würde Deirdre sich hier nicht irgendwann zu Tode langweilen? Zu seiner Überraschung schien das nicht der Fall zu sein. Sie wirkte zufrieden. In mondbeschienenen Nächten hatte er sie mehrmals in dem kleinen curragh zur Landzunge der Liffeybucht, ihrem Eiland gegenüber, mitgenommen. Dort waren sie zum Gipfel der Halbinsel hinaufgestiegen und hatten gemeinsam nicht nur nach Norden zu ihrem kleinen Zufluchtsort, sondern auch nach Süden über die gesamte weite Meeresbucht hinter Dubh Linn und die Liffey–Mündung hinweg bis zum südlichen Landvorsprung und zu den sanften, vulkanischen Formen der Wicklow–Berge geblickt.

»Wie schade, dass wir sie nicht besuchen können«, hatte er beim ersten Mal gesagt, während er in die Richtung des Rath ihrer Familie zeigte, der oberhalb der Flussmündung schwach zu erkennen war.

»Das macht nichts«, sagte sie. »Ich habe ja dich.« Und er hoffte, dass es der Wahrheit entsprach.

Obwohl er immer angenommen hatte, dass die Gesellschaft einer Frau auf die eine oder andere Art die Konternplation stören würde, die er immer wieder suchte, hatte sich das bisher noch nicht bestätigt. Der Grund dafür lag zum Teil in der Stille des Ortes, zum Teil gewiss auch darin, dass Deirdre instinktiv begriffen hatte, dass er mit seinen Gedanken allein gelassen werden wollte. Seine Verkleidung war sozusagen wahr geworden; denn er war nun wirklich ein Druide. Jeden Tag pflegte er in seinem Kopf den gewaltigen Fundus an Wissen zu durchforschen, den er bereits besaß. Jeden Morgen und jeden Abend pflegte er das Meer zu beobachten und den Wellen zu lauschen. Und manchmal verlor er restlos das Bewusstsein seines Ichs und stand in Trance da und pflegte wie der Dichter Amairgen still für sich die Verse zu sprechen:

»Ich bin Wind auf Meer, ich bin Ozeanwoge.«

 

Damit ging der Herbst in einen milden Winter und der Winter in den Frühling über. Und dann, gegen Ende des Frühlings, sagte Deirdre ihm, sie sei schwanger.

* * *

Im Mittsommer nach Finbarrs Rückkehr sah alles danach aus, als würde es eine gute Ernte geben. Überall auf der Insel reifte das Korn. Das Wetter war herrlich. Lughnasa kam, und unmittelbar darauf brach der Hochkönig zu einer Rundreise durch Leinster auf. Er hatte gerade sein Lager in der Nähe der Slieve–Bloom–Mountains aufgeschlagen, als die große Finsternis hereinbrach.

Larine würde sich stets daran erinnern, wie alles begann. Bereits bei Sonnenuntergang hatte er die langen Wolkenbänke bemerkt, aber erst als er mitten in der Nacht erwachte, war ihm aufgefallen, dass die Sterne erloschen waren. Dann kam das Ende der Nacht, aber es blieb weiterhin dunkel.

»Die Dämmerung«, nannten es die Leute später, »die keine Dämmerung war.« Den ganzen Vormittag über blieb der Himmel nicht grau, sondern schwarz. Dann wurde er braun, es begann zu regnen. Ein gewaltiger Wolkenbruch, anders als jeder Wolkenbruch, den er je zuvor erlebt hatte – er dauerte ganze sieben Tage. Jeder Fluss wurde zu einem reißenden Strom, jede Uferau zu einem breiten See. Schwäne glitten über die Wiesen, und auf den Feldern, die sich in morastige Sümpfe verwandelten, standen nur noch die umgeknickten und aufgeweichten Halme der zerstörten Ernte. Der Hochkönig zog nordwärts nach Ulster.

Anfang September befahl er Larine zu sich. Der Druide fand ihn völlig niedergeschlagen vor.

»Drei Ernten verloren, Larine. Und mir persönlich geben sie die Schuld.« Der Hochkönig schüttelte den Kopf und verfiel wieder in Schweigen.

»Was wünscht Ihr?«, fragte der Druide.

»Als Conall mir Schande machte…«, begann der König schwer und seufzte auf. »Dagda, sagen die Leute, pflegt Könige zu bestrafen, die verspottet werden. Ist das wahr?«

»Ich weiß es nicht.«

»Ich muss ihn finden, Larine. Aber meinen Männern ist es nicht gelungen. Finbarr hatte keinen Erfolg. Keiner der Druiden oder der filidh kann mir sagen, wo er steckt.«

Larine war zutiefst erleichtert gewesen, dass der Hochkönig Finbarr für sein Versagen nicht, wie angedroht, getötet hatte. Larine hatte Gelegenheit gehabt, Finbarr nach seiner Rückkehr über den Verlauf der Reise auszufragen; aber auch nach diesem Gespräch hatte er keinen rechten Verdacht, keine Ahnung, wo sich sein Freund Conall aufhalten könnte.

Der Hochkönig starrte düster unter seinen schweren Brauen hervor. »Könnt Ihr es mir nicht sagen, Larine?«

»Ich will es versuchen«, versprach der Druide und zog sich zurück.

Er musste warten, denn mehrere Tage waren im Kalender des Druiden als ungünstig für Rituale dieser Art gekennzeichnet. Aber sobald die Zeit günstig war, machte er sich bereit.

Die heiligen Männer der keltischen Welt bedienten sich vieler Methoden, um in die Zukunft zu blicken. Sie nannten es imbass – göttliche Weissagung. Der Lachs, so glaubte man, konnte prophetische Gaben vermitteln. Raben konnten sprechen, wenn man wusste, welche Bannsprüche dazu zu verwenden waren, und es verstand, ihnen zuzuhören. Selbst gewöhnliche Menschen waren zuweilen in der Lage, Stimmen aus dem Meer zu hören. Aber die Methode, die von der Kaste der Eingeweihten besonders geschätzt wurde, war das Kauen. Manche Druiden erlangten visionäre Kräfte, indem sie einfach an ihrem Daumen kauten; aber dies war nur ein flüchtiger Ersatz der eigentlichen Methode, die nur eine Variante einer der ältesten Zeremonien war, die die Menschheit kannte: das Einnehmen eines heiligen Mahls.

An dem betreffenden Tag stand Larine auf, wusch sich sorgfältig und legte seinen druidischen Federmantel an. Er verbrachte eine Weile im Gebet und versuchte dabei seinen Geist von allem zu leeren, was den Empfang von egal welcher Botschaft beeinträchtigen konnte, die die Götter ihm zu senden beliebten. Danach begab er sich zu der kleinen Hütte, in der er in der Nacht davor alles Nötige vorbereitet hatte. Zwei weitere Druiden bewachten den Eingang, um dafür zu sorgen, dass niemand das heilige Ritual störte.

In der Hütte befanden sich nur ein kleiner Tisch und drei Gestelle. Auf einem stand eine kleine Figur des Sonnengottes Dagda, auf dem zweiten eine Figur der Göttin Maeve, der Schutzpatronin des königlichen Heiligtums Tara; und auf dem dritten eine Statuette von Nuadu Silberhand. Auf dem Tisch lag ein silberner Teller mit drei Streifen Fleisch. Es konnte das Fleisch eines Schweins, eines Hundes oder eines anderen Tieres sein – Larine hatte sich für das eines Hundes entschieden. Er nickte, und die zwei draußen wachenden Druiden zogen die Eingangstür zu. Nachdem er noch einige Augenblicke in stillem Gebet dagestanden hatte, trat Larine näher an den Teller. Dann nahm er einen der Fleischstreifen, kaute ihn sorgfältig, zeigte ihn darauf einem der Götter und legte ihn dann hinter die Tür. Dieses Ritual wiederholte er zwei Mal, dann machte er vor jeder Gottheit eine höfliche Verbeugung und sprach ein weiteres Gebet. Er streckte sich auf dem Boden aus, legte die Handflächen an seine Wangen, schloss die Augen und machte sich bereit, ihre Botschaft zu empfangen.

Dazu gab es viele Techniken, aber das Ziel aller heiligen Männer, von den Druiden im Westen bis hin zu den sibirischen Schamanen, war stets dasselbe: sich in eine Trance zu begeben, in der die Götter mit ihnen kommunizieren konnten. Eine Weile lag Larine reglos da. Es herrschte Stille. Er leerte seinen Geist. Und dann – er konnte nicht sagen, wie lange es bis dahin gedauert hatte – spürte er auf einmal, wie er zu schweben begann. Ob er tatsächlich vom Boden abgehoben hatte, wusste er nicht. Das war unwesentlich. Sein Körper war nicht mehr von Bedeutung. Er war Rauch von einem Feuer, eine Wolke. Er trieb in der Luft. Als er wieder aus seiner Trance zurückkehrte, ging er zur Tür und klopfte drei Mal. Die zwei Druiden öffneten sie, und er trat hinaus. Dann begab er sich zum König.

»Ich habe den Ort gesehen«, erklärte er. »Sie befinden sich dort.« Und er beschrieb die kleine Insel mit dem gespaltenen Fels. »Aber ob sie an der Nord– oder Südküste, auf der Ost- oder Westseite liegt, konnte ich nicht erkennen.«

»Gibt es noch etwas anderes, was Ihr sagen könnt?«

»Ich sah Fergus, von Nuadu Silberhand geführt, im Mondlicht über das Meer wandeln und mit Deirdre reden, während sie schlief.«

»Also weiß er, wo sie ist.«

»Das weiß ich nicht. Vielleicht.«

»Dann werde ich Finbarr zu ihm schicken«, sagte der Hochkönig.

Es war Abend geworden, als Finbarr endlich Dubh Linn erreichte. Nur sein Jagdhund und der Wagenlenker begleiteten ihn.

Er kam traurig, aber voller Entschlossenheit im Herzen. Der Hochkönig hatte seinen Standpunkt mit brutaler Härte klargemacht. »Neulich hast du versagt, Finbarr, und ich habe dich nicht bestraft. Wenn du diesmal versagst, werde ich es tun.«

Tatsächlich begann Finbarr nach so vielen Monaten der Suche und der Sorge selbst einen gewissen Groll gegen seinen Freund zu hegen.

Fergus befand sich in seinem Rath und begrüßte ihn herzlich. Sie traten ins Haus, und noch bevor man ihm irgendeinen erfrischenden Trunk gereicht hatte, eröffnete Finbarr dem Alten ganz ruhig, doch bestimmt: »Fergus, uns ist bekannt, dass Ihr wisst, wo sich Deirdre aufhält.« Aber so aufmerksam er ihn auch musterte, Finbarr hätte schwören können, dass der Häuptling aufrichtig war, als er ihn traurig ansah und sagte: »Ich wünschte, ich wüsste es.«

Daher erzählte Finbarr ihm von der Vision des Druiden und beschrieb die Insel, die Larine gesehen hatte. Und da wusste Fergus, wo sich seine Tochter befand.

»Diesen Ort kenne ich nicht«, behauptete er jedoch.

»Dann werde ich so lange hier bleiben, bis Ihr ihn kennen gelernt habt«, entgegnete Finbarr.

Fergus zögerte, erwog seine Möglichkeiten.

»Eine Insel dieser Art könnte irgendwo unten vor der Küste liegen«, sagte er schließlich. »Wir könnten morgen nach ihr suchen.« Dann ließ er eine Mahlzeit und Wein auftischen; und da Finbarr von seiner Reise erschöpft war, schlief er kurz nach Einbruch der Dunkelheit ein. Als alles im Rath schlief, erhob sich Fergus leise und trat hinaus. Er nahm ein kleines, mit Tierhaut bespanntes curragh und schwang es sich auf den Rücken; da er Angst hatte, seine Gäste aufzuwecken, nahm er kein Pferd, sondern ging zu Fuß zur Hürdenfurt hinunter, überquerte den Liffey–Fluß und machte sich auf den Weg zu der Halbinsel, die Deirdre immer so sehr geliebt hatte.

Es war bereits spät in der Nacht, als Fergus den Strand erreichte. Ein drei viertel voller Mond stand am Himmel, und die See war ruhig. Dann setzte er sein curragh zu Wasser, fuhr zu der Insel hinüber und fand Deirdre und Conall Arm in Arm im Schlaf. Er rüttelte sie wach, und als Deirdre ihn erblickte, schloss sie ihn selig in die Arme. Als er sah, dass seine Tochter ein Kind erwartete, kamen Fergus die Tränen.

Der Häuptling brauchte nicht lange, um ihnen zu erzählen, was im Schwange war, und sie zu warnen: »Ihr habt nur noch Zeit bis morgen früh, bevor er euch findet.« Aber was sollten sie tun? »Ihr müsst noch heute Nacht von hier fort«, sagte er, obwohl er sich, als er seine Tochter ansah, die Frage nicht verkneifen konnte: »Aber wie lange wirst du noch rennen können, Deirdre?«

Diese Frage hatte Conall bereits den ganzen Sommer über zu schaffen gemacht. Deirdre würde ihr Kind erst nach Mittwinter bekommen, und sie schien kräftig und bei bester Gesundheit zu sein. Conall hatte gehofft, dass es inzwischen vielleicht wieder möglich sein würde, über das Meer zu fliehen, aber seine heimlichen Erkundungsfahrten die Küste entlang waren entmutigend gewesen: Die Häfen wurden immer noch überwacht. Mehr als einmal hatte er sich gefragt, ob sie nicht besser zu ihrem Vater zurückkehren sollte. Selbst wenn man sie dort entdeckte, würde der König einer hilflosen Mutter mit Kind doch wohl nichts zu Leide tun? Aber Deirdre war dagegen, und ihr war eine geniale Lösung eingefallen.

»Bring mich an Land zurück, wenn meine Zeit gekommen ist. Dann werde ich der alten Witwe sagen, ich sei eine arme, im Stich gelassene Frau. Sie wird mir bestimmt helfen.« Und schmunzelnd fügte sie hinzu: »Vielleicht wird ja rein zufällig der einsame Druide von der Insel vorbeischauen.«

»Und dann?«

»Du wirst beizeiten eine Möglichkeit finden, wie wir von hier fortkommen.«

Ja, dieser Plan könnte aufgehen, dachte sich Conall, aber sicher war er sich nicht; und bald hatten seine Befürchtungen wieder zugenommen. Daher hörte er sieh, fast noch bevor er Zeit hatte, die Sache recht zu bedenken, zu seiner Überraschung sagen:

»Wenn es mir gelingt, Finbarr fortzulocken, kann Deirdre ja vielleicht bei Euch bleiben.«

Fergus schwieg eine Weile und betrachtete das ängstliche Gesicht seiner Tochter. Er war in seine eigenen Gedanken vertieft. Welche Folgen würde es für ihn und seine beiden Söhne haben, wenn man herausfand, dass er Deirdre versteckte? Aber bei dem Gedanken, wie wenig er bisher für sie hatte tun können, fühlte er sich tief beschämt.

»Dubh Linn ist Deirdres Zuhause«, sagte er schließlich, »und wird es immer bleiben.« Er nahm Conall beiseite und fuhr fort: »Ihr müsst sie bei Tagesanbruch von der Insel schaffen. Denn am Vormittag werde ich Finbarr die Küste entlangführen müssen. Sobald Finbarr wieder fort ist, lasst sie in der Nacht zum Rath kommen, und ich werde eine Möglichkeit finden, sie zu verstecken.« Dann brach er auf, ängstlich darauf bedacht, möglichst rasch wieder zum Rath zurückzukehren, bevor man ihn vermisste.

Der Mond stand noch ein Stück weit über dem Horizont, als er sich am Strand entlang auf den Rückweg machte. Zu seiner Linken ragte dunkel der hohe Buckel der Halbinsel auf. Bald hatte er den Fuß der niedrigen Hügelkette erreicht, von deren Höhe aus er den breiten Bogen der Bucht vor Dubh Linn erkennen konnte. Er gönnte sich nur ein paar Augenblicke Zeit zum Verschnaufen, tat ein paar tiefe Atemzüge und brach wieder auf. Der Weg war leicht zu finden. Schon sah er deutlich die Linie des Höhenrückens, der sich auf dem anderen Ufer vor dem sternenübersäten Himmel abzeichnete. Einige Baumgruppen und Büsche säumten den Weg.

Er hatte beinahe die Anhöhe erreicht, als er direkt vor sich ein Klirren von Zaumzeug und das Schnauben eines Pferds vernahm. Er hielt inne und starrte auf die Büsche, aus deren Richtung das Geräusch kam. Dann tauchte ein großes Etwas aus dem Schatten auf.

Es war ein Streitwagen. Er kam den Abhang herab direkt auf ihn zu gefahren. Dann rief Finbarrs Stimme aus dem Wagen:

»Besten Dank, Fergus, dass Ihr mir den Weg gezeigt habt.«

* * *

Sie wusste, dass sie die Sache nicht länger verzögern durfte; der Himmel stand noch voller Sterne, aber im Osten über dem Meer war bereits ein Hauch von blasser Helligkeit zu ahnen.

Sie hatte sich so viel Zeit gelassen wie irgend möglich. Die Insel war ihr heiliger Zufluchtsort: Sobald sie diese verließ, würde sie nie mehr Sicherheit finden, dachte Deirdre. Vielleicht hatten sie eines Tages die Möglichkeit, hierher zurückzukehren. Sie warf einen Blick auf Conall. Seit geraumer Zeit stand er bereits mit dem Rücken zu ihr und starrte schweigend zur Küste hinüber.

Der Plan, den sie gefasst hatten, war höchst einfach: Sie würden sogleich an die Küste übersetzen, sich ins Landesinnere zurückziehen und sich in den Wäldern verstecken. Wenn Finbarr die Insel betrat, würde er nur ihre kleine Hütte vorfinden. Das alte Weib am Strand würde ihm erzählen, dass sie an diesem Ort nie jemand anderen als den wandernden Druiden gesehen hatte. Schon bald würde er die Suche aufgeben und wieder verschwinden. Und dann? Dann würden sie vielleicht auf die Insel zurückkehren. Oder Deirdre würde sich zu ihrem Vater begeben.

Sie erhob sich, trat zu Conall hinüber, berührte ihn sanft am Arm.

»Ich bin fertig«, flüsterte sie. Aber Conall schüttelte den Kopf.

»Zu spät«, sagte er und zeigte in die Ferne. Und als sie angestrengt in die Dunkelheit blickte, erkannte sie den Schatten von Finbarrs Streitwagen, der am Strand wartete; und noch bevor sie ihre Worte zurückhalten konnte, kamen sie ihr bereits über die Lippen: »Oh, Conall, ich kann nicht zurück. Lieber würde ich sterben.«

Sie standen da und sahen zu, wie es immer heller wurde, die See sich grau verfärbte und der Streitwagen am Strand scharf umrissene, dunkle Konturen annahm. Dann sagte Conall: »Jetzt muss ich zu ihm hinüber.« Es gelang ihr, ihn noch einen Augenblick bei sich zu halten; aber obwohl sie ihn immer noch zurückzuhalten versuchte, während die Helligkeit am Horizont immer stärker zunahm, riss er sich schließlich los, stieg in das curragh und setzte allein über.

Er hatte den Weg über das Wasser zur Hälfte zurückgelegt, als sie den feurigen Rand der Sonne über den Horizont brechen sah und ihr bewusst wurde, dass Conall im Begriff war, das Meer mit der aufgehenden Sonne im Rücken zu überqueren. Damit würde er das zweite geis übertreten.

»Conall«, schrie sie ihm nach, »die Sonne!«

Aber auch wenn er sie gehört haben sollte – er wandte sich nicht um.

* * *

Bereits lange vor der Morgendämmerung hatte er reglos wie ein Stein in seinem Streitwagen gestanden. Die ganze Zeit hatte er sich gefragt: Würde er noch einen Rest der einstigen Liebe zu seinem Freund empfinden? War es Schmerz oder nur Enttäuschung, was er empfand? Er wusste es kaum. Aber er wusste, was er zu tun hatte, und so hatte er, vielleicht aus Angst vor seinen eigenen Gefühlen, sein Herz verhärtet. Und doch empfand er nun, als Conall über das Wasser gefahren kam, etwas ganz anderes: Verwunderung.

Als Conall den Strand erreichte und nun auf ihn zutrat, hatte Finbarr ein höchst seltsames Gefühl. Nach Art eines Druiden geschoren und schlicht wie ein Einsiedler gekleidet, wirkte Conall auf ihn wie ein Geist. Denn wenn Conall gestorben und nun von den Inseln der Seligen zurückgekehrt wäre, hätte er sicher genau diesen Eindruck erweckt. Es war der innere Geist, das innerste Wesen des Mannes, den er geliebt hatte, ein Wesen, das sich nun näherte wie ein trauriger Schatten. Nur wenige Schritte entfernt blieb Conall stehen und nickte ruhig.

»Du weißt, Conall, warum ich hier bin.« Finbarr stellte fest, dass seine Stimme heiser klang.

»Was für ein Jammer, dass du hierher gekommen bist, Finbarr. Ich kann nichts für dich tun.«

War das alles, was sein Freund ihm zu sagen hatte?

»Seit mehr als einem Jahr bin ich auf der Suche nach dir«, platzte er heraus.

»Wie lauten die Befehle des Hochkönigs an dich?«, erkundigte sich Conall gelassen.

»Euch beide wohlbehalten zurückzubringen.«

»Deirdre wird nicht mitkommen, und ich werde sie nicht allein zurücklassen.«

»Du und Deirdre – das ist das Einzige, was dir wichtig ist?«

»Sieht ganz so aus.«

»Es bekümmert dich nicht, Conall«, er konnte die Verbitterung in seiner Stimme nicht unterdrücken, »dass es drei Jahre lang Missernten gegeben hat, dass arme Leute nur durch das, was die Häuptlinge ihnen geben können, vor dem Hungertod bewahrt werden und dass dir die Schuld an alledem gegeben wird aufgrund der Schmach, die du deinem Onkel, dem Hochkönig, zugefügt hast?«

»Wer sagt das?« Conall wirkte ein wenig erschüttert.

»Die Druiden sagen es, Conall, und die filidh und die Barden auch.« Er holte tief Luft. »Und auch ich sage es.«

Conall hielt nachdenklich inne, bevor er antwortete, und als er es tat, schien seine Stimme erfüllt von Traurigkeit zu sein.

»Ich kann nicht mitkommen, Finbarr.«

»Dir bleibt keine andere Wahl, Conall.« Finbarr deutete auf seinen Streitwagen. »Du kannst dich davon überzeugen, dass ich bewaffnet bin.«

»Dann musst du mich töten.« Es war keine Herausforderung, Conall blieb ganz ruhig stehen und starrte vor sich hin, als warte er auf den niederfahrenden Schlag.

Eine geraume Weile starrte Finbarr auf seinen Freund herab. Dann fasste er nach unten in den Wagen, ergriff drei Gegenstände und warf sie seinem Freund vor die Füße. Es waren Conalls Speer, sein Schild und sein blitzendes Schwert.

»Verteidige dich«, rief er.

»Ich kann nicht«, entgegnete Conall und hob seine Waffen nicht auf.

Nun verlor Finbarr die Geduld mit seinem Freund.

»Hast du etwa Angst davor zu kämpfen?«, schrie er. »Dann hör zu, was wir tun werden. Ich werde an der Hürdenfurt warten, Conall. Du kannst dorthin kommen und gegen mich kämpfen wie ein Mann – und wenn du gewinnst, kannst du gehen, wohin du willst. Oder du kannst mit deiner Frau davonlaufen, und ich kehre zu deinem Onkel zurück und werde ihm sagen, ich hätte einen Feigling entwischen lassen. Tu, was dir beliebt.« Und nach diesen Worten fuhr er mit seinem Streitwagen davon.

Nach einer langen Pause nahm Conall, da er keine andere Wahl hatte, seine Waffen auf und folgte ihm traurig nach.

Auf einem grasbewachsenen Uferstreifen, mit der Furt über die Liffey direkt in ihrem Rücken, rüsteten sich Conall und Finbarr zum Kampf.

Vorher allerdings mussten sie bestimmten Ritualen Genüge leisten. Der Krieger sollte nackt sein, konnte sich Gesicht und Körper mit einer bläulichen Farbe, genannt woad, bemalen. Wichtiger war jedoch die innere Vorbereitung. Denn die Männer zogen nicht mit kaltem Herzen in die Schlacht. Sie putschten sich mit Furcht erregenden Gesängen und entsetzlichem Kriegsgeschrei auf. Druiden pflegten den Feind anzubrüllen und ihm zuzurufen, er sei dem Untergang geweiht. Während sie ihre Bannflüche ausstießen, warfen die Männer aus den hintersten Linien ihren Gegnern zuweilen Dreck oder sogar Kot ins Gesicht. Aber vor allem hatte sich jeder Krieger in jenen ekstatischen Zustand zu versetzen, in dem er seine Stärke auch von seinen Vorfahren und Göttern erhielt. Dies war die erhabene Inspiration, seine Raserei oder riastrad, »Wutverzerrung«, wie die keltischen Dichter es nannten.

Diesen ekstatischen Zustand erreichte der keltische Krieger, indem er sich auf ein Bein stellte, auf bestimmte Art den Körper verdrehte und sein Gesicht verzerrte, bis es aussah wie eine Kriegsmaske. Finbarr bereitete sich auf genau diese Art vor. Er zog sein rechtes Knie hoch und wölbte langsam seinen Körper, als würde er einen Bogen spannen. Dann kniff er das linke Auge zu, drehte sein Gesicht halb zur Seite, so dass sich der stechende Blick seines offenen, nun weit aufgerissenen und zornig starren Auges in seinen Gegner zu bohren schien. Conall dagegen stand gelassen da, aber Finbarr hatte den Eindruck, er halte Zwiesprache mit den Göttern.

»Dass du dich hierher getraut hast, Conall«, schrie er, »wirst du bald bereuen. Ich bin ein Eber, der dich durchbohren wird, Conall. Ein wilder Eber.«

Conall schwieg und verzog keine Miene.

Sie ergriffen ihre Speere und Schilde. Finbarr schleuderte seine Waffe mit gewaltiger Kraft auf Conall. Er hatte perfekt gezielt. Mit einem solchen Wurf hatte sein Speer schon einmal den Schild eines Gegners durchstoßen und den Mann durch die Brust auf den Boden gespießt. Aber Conall sprang so flink zur Seite, dass Finbarr die Bewegung kaum wahrnehmen konnte. Nur einen winzigen Moment später schleuderte Conall seinen Speer los. Er zielte genau auf Finbarrs Herz. Hätte ihn ein anderer Krieger geschleudert, so hätte Finbarr ihn als Meisterwurf bewertet. Aber er wusste, welch unglaubliche Kraft Conall entwickeln konnte, wenn er es wirklich versuchte, und während er den Speer in seinen Schild einschlagen ließ, verfluchte er seinen Gegner innerlich. Dann packte er sein Schwert und stürzte auf Conall los.

Es gab nur wenige, die Finbarr im Schwertkampf ebenbürtig waren. Er war tapfer, blitzschnell und bärenstark. Als er Conall jetzt mehr und mehr zurückdrängte, wusste er nicht recht, ob sein Freund freiwillig zurückwich oder außer Übung war. Eisen krachte auf Eisen, die Funken stoben. Nun hatten sie den Rand des flachen Uferwassers erreicht. Conall wich immer weiter zurück und watete bald knöcheltief im Wasser. Aber noch hatte keiner der beiden auch nur die geringste Verletzung davongetragen.

Je heftiger Finbarr zuschlug, desto mehr schien Conall ihn auf rätselhafte Art auszuspielen. Der Gesandte des Hochkönigs stieß einen Kriegsschrei aus, stürmte spritzend durchs Wasser, schlug und hieb, setzte jeden Trick ein, den er kannte. Doch sonderbar, sein Schwert traf immer nur auf Conalls Klinge oder Schild. Dann erlahmte Conalls Kraft. Sein Schild senkte sich, und sein Schwert hing schlaff herab. Sein Gegner erkannte die Chance und schlug blitzschnell zu – und traf ins Leere. Es war, als hätte sich Conall für einen winzigen Moment in Nebel verwandelt. Ich kämpfe nicht gegen einen Krieger, dachte Finbarr, sondern gegen einen Druiden.

So setzte sich dieser wunderliche Wettkampf noch eine Weile fort, und wer weiß, wie er geendet hätte, wenn Conall nicht aufgrund eines Schicksalsschlags, als er einen Schritt zurückwich, auf einem Stein ausgeglitten wäre. Wie der Blitz hatte Finbarr zugestoßen und ihn am Arm getroffen. Als Conall zurückfiel und seinen Schild hob, versetzte ihm Finbarr einen Hieb ins Bein und schlug ihm eine klaffende Wunde. Conall sprang dennoch wieder auf und parierte die nächsten Schläge – aber er hinkte. Zu seinen Füßen verbreitete sich Blut im Wasser. Er wich noch weiter zurück, doch diesmal, das spürte Finbarr, aus echter Not. Eine rasche Finte, und er traf ihn noch einmal, diesmal an der Schulter. Sie kämpften weiter, Schlag um Schlag, aber so geschickt Conall auch parierte, Finbarr konnte spüren, dass sein Gegner allmählich schwächer wurde.

Jetzt hatte er ihn. Er wusste es. Das Ende war nur noch eine Frage der Zeit. Lange Augenblicke verstrichen. Sie bewegten sich noch weitere zwanzig Schritte zurück, wobei Finbarr in dem flachen Wasser, das rot vom Blut seines Freundes war, mehr und mehr an Boden gewann. Conall glitt immer wieder aus, drohte zu stürzen.

Und nun, da der Sieg zum Greifen nahe war, brachen sich in ihm all die Enttäuschungen des vergangenen Jahres und die vielen Jahre der Eifersucht, die ihm aber nie recht bewusst geworden war, Bahn. Immer hatte sich alles um den Prinzen gedreht!

»Glaub ja nicht, dass ich dich töten werde«, schrie Finbarr. »Das werde ich nicht tun. Du und Deirdre, ihr werdet gefesselt und zu Fuß hinter meinem Wagen trotten und mit mir zum König kommen.« Und bei diesen Worten schwang er sein Schwert in die Höhe und stürzte sich auf seinen Gegner, um ihn endgültig unschädlich zu machen.

Er bekam die Klinge nie zu sehen. Sie zuckte so geschwind, dass er sie in seiner Kampfeswut einen Moment lang nicht einmal spürte. Aber sie stieß durch seine Brust und durchschnitt alles Gewebe direkt über dem Herzen, so dass Finbarr zunächst rätselnd die Stirn runzelte, als ihm bewusst wurde, dass irgendetwas aufgehört hatte. Dann spürte er einen gewaltigen, rot stechenden Schmerz und stellte fest, dass er zu ersticken drohte, dass seine Kehle und sein Mund voller Blut waren und dass alles von ihm fortrann wie ein Fluss, während er kopfüber in das flache Wasser sackte. Er fühlte noch, wie er auf den Rücken gedreht wurde, und sah Conalls Gesicht unendlich betrübt auf sich herabblicken. Jetzt begann dessen Gesicht undeutlich zu werden und zu verschwimmen.

»Oh, Finbarr. Ich wollte dich nicht töten.«

Warum sagte Conall das? Hatte er ihn denn getötet? Er versuchte den verschwommenen Umrissen etwas zu sagen.

»Conall…«

Dann rissen sich seine Augen weit auf, und das Licht wurde gleißend hell.

Conall trug die Leiche mit dem Wagenlenker zu dem Streitwagen, damit sie zum König zurückgebracht würde. Erst da bemerkte Conall, dass Cuchulainn, sein Jagdhund, an den Wagen angebunden war und auf seinen Herrn wartete. Conall warf einen letzten traurigen Blick über den Liffey und begab sich hinkend auf den Rückweg zu Deirdre und der Insel.

* * *

Mit seinem einen Auge hatte Goibniu sie alle im Blick: den Hochkönig, die Königin, die Häuptlinge und die Druiden.

An jenem Nachmittag hatte der Wagenlenker nach zwei Tagen anstrengender Fahrt mit Finbarrs Leichnam völlig erschöpft das Lager des Königs erreicht. Nun waren die Frauen damit beschäftigt, den Leichnam zur Beisetzung herzurichten. In der großen Halle mit ihren Wänden aus Weidengeflecht redeten alle durcheinander.

Mindestens zwanzig junge Männer wollten Conall zum Kampf stellen. Den Verräter zu besiegen, der den edlen Finbarr getötet hatte – was für eine Chance für junge Burschen, die nach Ruhm dürsteten!

Auch Larine, Conalls Freund, war da. Er machte eine traurige Miene, sagte aber nichts. Die Königin redete dagegen umso mehr. Bisher hatte sie, so schien es Goibniu, nie großes Interesse an der Jagd nach Conall gezeigt; aber nun war sie unerbittlich. Conall und Deirdre müssten getötet werden. »Ihr Vater soll seine Tochter in Dubh Linn begraben«, schrie sie. »Und bringt mir den Kopf von Conall.« Sie blickte in die Runde der Häuptlinge und jungen Helden. »Der Mann, der mir Conalls Kopf bringt, soll zwanzig Dutzend Kühe erhalten.«

Aber Goibniu interessierte weit mehr, was im Kopf des Königs vor sich ging, der mit bekümmertem Gesichtsausdruck auf seinem mächtigen gepolsterten Thron saß und noch nicht das Wort ergriffen hatte. Dachte er vielleicht dasselbe wie Goibniu? Suchte er nach den tieferen Ursachen?

Wie so oft hatte der Schmied, wenn er die Männer reden hörte, den Eindruck, als seien ihre Worte leeres Geschwätz. Denn was war das wirkliche Problem des Königs? Die Missernten. Und was war die Ursache für die schlechten Ernten? War an ihnen wirklich der Hochkönig schuld? Konnten sie durch Conalls Tod abgewendet werden? Goibniu wusste es nicht, und nach seiner Einschätzung wusste es auch sonst niemand. Aber sie glaubten es zu wissen. Das war das Entscheidende: ihr Glaube. Conall zu töten bedeutete, die Verspottung des Königs zu rächen. Aber was wäre, wenn die nächste Ernte danach wieder eine Missernte war? Würden die Druiden dann immer noch dem Hochkönig die Schuld geben? Ja, das würden sie.

Der Hochkönig richtete seinen Blick auf ihn und fragte: »Nun, Goibniu, was hast du zu sagen?«

Der Schmied hielt einen Augenblick inne und überlegte sorgfältig, bevor er antwortete. »Mir scheint, es gibt noch eine andere Möglichkeit. Kann ich Euch allein sprechen?«

Im Laufe jener Tage hatte sie sogar ein, zwei Mal geträumt, sie kämen vielleicht ungestraft davon.

* * *

Nichts, dachte sie, könnte grausamer sein als jener erste Morgen, als sie bangend auf der Insel wartete, ob Finbarrs Streitwagen oder Conalls prachtvolle Gestalt an der Küste auftauchen würde, um sie abzuholen. Und dann sah sie Conall, der blutüberströmt wie ein verendendes Tier über den Sand humpelte. Fast hätte sie ihn zunächst gar nicht erkannt. Als er schließlich vor ihr auf den Kies stürzte, blieb ihr nur noch die Kraft, ihr Entsetzen beim Anblick seiner Wunden zu verbergen. Sie versorgte ihn, so gut sie konnte. Er war elend schwach, und ein, zwei Mal verlor er das Bewusstsein; aber schließlich berichtete er ihr, was geschehen war und wie er seinen Freund getötet hatte. Sie mochte ihn kaum fragen, was sie als Nächstes tun sollten.

Am späten Nachmittag traf ihr Vater ein. »Sie werden wiederkommen. Finbarrs Wagenlenker wird ihnen zeigen, wo er sich befindet. Aber das wird noch ein paar Tage dauern, Deirdre. Wir können also in aller Ruhe überlegen.« Sie berieten, ob sie Conall zum Rath bei Dubh Linn zurückbringen sollten, aber Fergus entschied am Ende: »Lass ihn vorläufig da, wo er ist, Deirdre. Hier ist er genauso gut aufgehoben wie anderswo.« Am Abend verließ er sie wieder. Und obwohl Conall in der Nacht zu fiebern begann, schien es ihm am nächsten Morgen besser zu gehen, und Deirdre flößte ihm etwas Suppe und ein paar Schlucke von dem Met ein, den ihr Vater mitgebracht hatte.

Gegen Mittag kehrte Fergus zurück. Nachdem er Conall untersucht und festgestellt hatte, dass er seine Verwundungen überleben würde, wandte er sich mit ernster Miene an die beiden: »Hier könnt ihr unmöglich länger bleiben. Wie groß das Risiko auch sein mag, ihr müsst unbedingt über das Meer fliehen.« Er blickte auf das Wasser hinaus. »Zumindest könnt ihr den Göttern danken, dass gutes Wetter herrscht. In zwei Tagen werde ich mit einem Boot wieder hier sein.«

»Aber Vater«, rief Deirdre, »wie könnte ich, selbst wenn du eines findest, in meinem Zustand allein mit einem Boot fertig werden? Conall hat doch nicht einmal die Kraft, ein Ruder zu heben.«

»Es wird eine Besatzung haben«, erwiderte Fergus und brach auf.

Der nächste Tag war für Deirdre erfüllt von banger Sorge. Bei jedem Wellenschlag blickte sie zum Strand, ob etwa schon die Häscher des Hochkönigs auftauchten. Immerhin machte Conalls Genesung Fortschritte. Er wagte sogar eine Runde um ihre kleine Insel, und Deirdre war erleichtert, als sie feststellte, dass seine Wunden nicht mehr aufbrachen. Da sie seine Stimmungsschwankungen kannte, schenkte sie dem Umstand, dass er sich am späten Nachmittag allein auf den Kiesstrand setzte und unverwandt aufs Meer hinausstarrte, zunächst keine besondere Beachtung; aber nach einer Weile machte er eine so ungewohnt traurige Miene, dass sie zu ihm trat. »Worüber machst du dir Gedanken?«, fragte sie.

»Ich musste an Finbarr denken«, sagte er leise, nachdem er eine Weile geschwiegen hatte. »Er war mein Freund.«

Sie wollte ihn in die Arme nehmen, aber er wirkte so entrückt, dass sie es nicht wagte, und so streichelte sie nur sanft seine Schulter.

»Er hat gewusst, was er riskiert«, sagte sie sanft. »Dich trifft keine Schuld.«

Er antwortete nicht, und sie verfielen in düsteres Schweigen.

»Er hat mir erzählt«, sagte Conall leise, »dass die Druiden behaupten, ich sei an den schlechten Ernten schuld – wegen meiner Demütigung des Hochkönigs.«

»Dann wäre auch ich schuld daran, Conall.«

»Nein, du nicht. Aber ich selbst schon.«

»Das darfst du nicht denken, Conall«, sagte sie, und nun streichelte er flüchtig ihre Hand, ohne Deirdre anzusehen. Nach einer Weile zog sie sich zurück; Conall saß weiter auf dem Kiesstrand und starrte auf das Wasser, bis die Sonne unterging.

Am nächsten Morgen kehrte Fergus zurück. Über der See lag immer noch Nebel, als ein kleines Boot mit lederbespannten Bordseiten auftauchte. Es hatte nur ein rechteckiges Segel, mit dem es, wenn auch recht notdürftig, vor dem Wind halsen konnte – kaum anders als die curraghs, in denen ihre fernen Ahnen einst zum ersten Mal auf der westlichen Insel gelandet waren. Fergus segelte es selbst, und an seiner Seite saßen seine beiden Söhne. Sie sprangen an Land und machten stolze Gesichter.

»Hier ist euer Boot«, begrüßte Fergus seine Tochter. »Ich habe es einem Fischer abgekauft, der im Süden der Bucht wohnt. Wir haben Westwind, aber nur eine leichte Brise. Also braucht ihr euch wegen der Überfahrt keine Sorgen zu machen.«

»Aber was ist mit der Mannschaft, die du versprochen hast?«, fragte sie.

»Oh, die sind dein Vater und deine Brüder, Deirdre«, sagte er, als verstünde sich das von selbst. Für einen Mann seines Alters wirkte er erstaunlich tatkräftig. »Leg dein Vertrauen in deines Vaters Hände, Deirdre, und ich werde das meine in die von Mananann Mac Lir legen. Der Meeresgott wird dich und Conall beschützen. Genügt dir das nicht?«

Sie fragte, ob er nicht besser ohne seine Söhne fahren sollte, und blickte zweifelnd ihre Brüder an. »Das ist doch nur ein kleines Boot.«

»Willst du etwa, dass ich deine Brüder zurücklasse?«, erwiderte er schmunzelnd. »Ganz mutterseelenallein auf der Welt?«

Allmählich begriff Deirdre. »Du meinst, du wirst nie zurückkehren?«

»Um dem König unter die Augen zu treten, nachdem ich euch zur Flucht verholfen habe? Nein, Deirdre, wir fahren alle gemeinsam. Ich wollte immer schon eine solche Reise unternehmen. Ich habe mich nur ein wenig spät dazu aufgerafft.«

»Aber was wird aus dem Rath, deinem Land, dem Vieh…«

»In Dubh Linn?«, fragte er und zuckte die Schultern. »Das ist wirklich kein aufregender Ort, würde ich sagen. Da ist es viel zu sumpfig. Nein, Deirdre, ich finde, es ist an der Zeit, die Zelte abzubrechen.« Und als sie einen Blick in das kleine Boot warf, sah sie, dass es voll bepackt war mit Proviant, einem kleinen Sack voll Silber und dem Trinkschädel. Sie küsste ihren Vater auf die Wange.

Es gab nur ein einziges Problem: Conall wollte nicht mitkommen.

Er sagte es ganz ruhig. Seine Niedergeschlagenheit vom Vortag war einer traurigen Entschlossenheit gewichen.

»Bei allen Göttern, Mann«, schrie Fergus. »Was ist los mit Euch? Seht Ihr denn nicht, was wir alles für Euch tun?« Und als das nicht wirkte: »Müssen wir Euch etwa mit Gewalt in das Boot zerren?« Aber ein einziger Blick des Prinzen machte ihm klar, dass dies trotz dessen Verletzung kein guter Einfall wäre. »Würdet Ihr uns dann wenigstens sagen, warum Ihr nicht mitkommen wollt?«, fragte Fergus am Ende verzweifelt.

Eine paar Augenblicke war unklar, ob Conall überhaupt eine Antwort geben würde, aber schließlich sagte er ruhig: »Es ist nicht der Wille der Götter, dass ich mitkomme.«

»Woher wollt Ihr das wissen?«, fragte Fergus gereizt.

»Wenn ich mit euch übers Meer fahre, werde ich euch kein Glück bringen.«

Während ihr Vater in sich hineinfluchte, wechselten Deirdres Brüder besorgte Blicke. Hatten die Götter den Mann ihrer Schwester etwa verflucht? Da Conall wie ein Druide aussah, hatten sie das Gefühl, dass er es wissen musste.

»Es ist sinnlos, wenn wir ertrinken, Vater«, meinte einer von ihnen.

»Sollen wir Deirdre vielleicht mitnehmen und Euch zurücklassen?«, Fergus’ Stimme wurde schrill. Conall antwortete nicht, aber Deirdre ergriff ihren Vater am Arm.

»Ich kann ihn nicht im Stich lassen, Vater«, murmelte sie. Und obwohl er ungeduldig nach dem Himmel sah, zog sie ihn beiseite und fuhr fort: »Warte noch einen Tag. Vielleicht fühlt er sich morgen anders.« Und da es keine andere Wahl zu geben schien, konnte Fergus nur mit den Schultern zucken und seufzen. Bevor er wieder aufbrach, warnte er Conall jedoch: »Ihr habt nicht viel Zeit. Denkt gefälligst auch einmal an Deirdre und an das Kind.«

Als ihr Vater und ihre Geschwister wieder davongesegelt waren, beobachtete Deirdre eine Weile einen Schwarm Seemöwen, die sich immer wieder von dem Kiesstrand erhoben und kreischend in den blauen Septemberhimmel flogen. Conall saß wie in Trance an ihrer Seite.

»Was soll nun aus uns werden, Conall?«

»Ich weiß es nicht.«

»Warum möchtest du denn nicht mit uns fortgehen? Ist es, weil du in der Nacht einen Traum hattest?« Er antwortete nicht, aber sie vermutete, dass er tatsächlich einen Traum gehabt hatte. »Ist es, weil du mit den Göttern gesprochen hast? Sag mir die Wahrheit, Conall. Was weißt du?«

»Dass ich hier zu warten habe, Deirdre. Das ist alles.«

Sie blickte in sein blasses schönes Gesicht.

»Ich werde bei dir bleiben«, sagte sie.

Da streckte er die Hand aus und hielt die ihre, damit sie begriff, dass er sie liebte, und sie fragte sich, ob er vielleicht seine Meinung ändern würde, bevor der morgige Tag anbrach.

* * *

Als sie erwachte, war der Himmel klar, aber über dem Boden lag eine dünne Schicht Nebel. Sie blickte über das Wasser zum Strand der Küste, und alles schien ruhig. Sicher war es noch zu früh dafür, dass jemand, der vom Hochkönig ausgeschickt worden war, hier eintreffen könnte. Doch dann fesselte plötzlich etwas in der so genannten Ebene der Vogelscharen ihren Blick.

Die winzige Gestalt, die sich auf der nebligen Ebene näherte, erinnerte aus der Ferne an einen flatternden Vogel. Über der weiten Ebene breitete sich der Nebel in zerrissenen Schleiern aus, und dieses Weiß ergoss sich bis über die Küste und die See, so dass Deirdre nicht unterscheiden konnte, ob das, was darunter lag, Erde oder Wasser war. So konnte sie nur vermuten, dass das vogelartige Wesen ein Mann in wehendem Umhang war, der in einem Streitwagen herangejagt kam, es sei denn, es war vielleicht einer der Götter oder ihrer Boten, der sich in einen Raben oder Schwan oder ein anderes fliegendes Wesen verwandelt hatte, um ihnen einen Besuch abzustatten.

Dann hielt das geisterhafte Wesen an der Stelle an, wo der Strand sein musste. Deirdre hätte schwören können, dass es ein graziler Hirsch war. Aber nach einem kurzen Moment verschwand das Wesen im Nebel und tauchte sogleich wieder auf, als könnte es willentlich seine Gestalt verändern, und trieb, ganz langsam dahingleitend, reglos und grau wie ein aufrecht stehender Menhir auf ihre kleine Insel zu.

Sie blickte sich um, hoffte, sie würde das Boot ihres Vaters um die Halbinsel am Ende der Landzunge biegen sehen. Stattdessen erblickte sie Conall, der mit ernster Miene hinter ihr stand.

»Das ist Larine«, sagte er.

»Es sah so aus, als hätte er mehrmals seine Gestalt verändert, während er sich näherte.«

»Er ist ein Druide«, erwiderte er. »Wahrscheinlich könnte er sich sogar unsichtbar machen, wenn er es wollte.« Und nun erkannte auch sie, dass es Larine war, der sich von seinem Wagenlenker in einem kleinen curragh zu ihnen herüberrudern ließ. »Komm, Conall«, sagte er ruhig, während er an Land trat, »wir müssen miteinander reden.« Und als sich Deirdre beängstigt nach Conall umwandte, sah sie zu ihrer Verwunderung, dass ihr Geliebter erleichtert wirkte.

Eine geraume Weile standen sie ein Stück weit von ihr entfernt wie zwei Schatten beisammen und schienen in den Nebelgirlanden zu schweben, die sich am Meeresufer entlangzogen; und die Sonne war gerade über dem Horizont aufgetaucht, als die Männer zu ihr traten. Deirdre sah sofort, dass Conalls Miene wie gewandelt war. Die Trauer und die Verzweiflung waren aus seinen Gesichtszügen geflohen, und mit einem freundlichen Lächeln ergriff er ihre Hand. »Alles ist wieder gut. Mein Onkel und ich sind wieder versöhnt.«